E-Book Geister-Schocker 37: Der Tod aus der Themse
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»Die Nacht hatte sich wie ein dunkles, samtenes Tuch über die Stadt gelegt. Durch die Gassen waberte der Nebel, fauliger Gestank zog aus dem Wasser des East End auf. Es war ein warmer, aber nicht heißer Tag gewesen. Nun, am Abend, waren die Temperaturen kaum gesunken. Sie hielten sich zwischen den Häusern Londons.
Sterne funkelten am nachtschwarzen Himmel, der Mond hingegen war kaum zu sehen. Seine bleiche Sichel schimmerte über dem St. Stephens-Tower, als würde er sich seiner schämen.
Roberta Waters wanderte am Ufer der Themse entlang, wie sie es häufig zu tun pflegte. Sie hatte die sechzig überschritten, ihr Gemahl war bereits verstorben. Trotzdem war sie nicht mittellos, denn ihr Mann hatte ihr eine erkleckliche Summe hinterlassen - genug, um einen angenehmen Lebensabend verbringen und ihren Enkeln regelmäßig Geschenke machen zu können.
Doch sie litt an Schlaflosigkeit, wie auch ihre Familie wusste. Häufig gelang es ihr nicht, einzuschlafen. Falls doch, konnte es vorkommen, dass sie mitten in der Nacht erwachte und von einer inneren, ihr unerklärlichen Unruhe getrieben, das Bett verließ. In solchen Nächten zog sie sich an und unternahm, mit ihrer Handlampe in der einen Hand und einem Stock in der anderen, einen kleinen Spaziergang, meist entlang des Flussufers. Die frische Luft, das Rauschen des Wassers sowie die nächtliche Dunkelheit wirkten beruhigend auf die Witwe, so dass sich ihre Unruhe legte und sie nach etwa einer Stunde erneut zu Bett gehen konnte.
Angst, bei einem dieser Spaziergänge von Muggern überfallen zu werden, hatte sie keine. Etwas außerhalb der Stadt, direkt am Ufer des Flusses, hielten sich keine Verbrecher auf. Sie, die auf schnelle Beute aus waren, bevorzugten die dunklen Gassen, um dort Zecher und Freier der Dirnen auszurauben. In all den Jahren, in denen sie schon an der Themse spazieren ging, hatte sie nur sehr wenige Menschen getroffen - meist Obdachlose, die sich am Ufer ein kleines Lager errichtet hatten und das schmutzige Wasser für ihre Zwecke nutzten. Meist gab die Witwe ihnen ein paar Pennies und ging ihres Weges, während die Obdachlosen zurückblieben, froh über die Almosen.
Die Witwe Watkins hatte aus der Ferne Big Ben schlagen hören, der mit seinem dumpfen Ton die Tageswende verkündete, als ihr im Gras des Ufers ein Schatten auffiel. Erst maß sie diesem keine Bedeutung bei, nahm sie doch an, es handele sich um einen weiteren Obdachlosen. Sie wollte bereits nach ihrem Täschchen greifen, um ein paar Münzen hervorzuholen, als sich der Schatten erhob.
Zu ihrem Entsetzen musste die Witwe erkennen, dass sie es ganz und gar nicht mit einem Bettler zu tun hatte, sondern mit etwas sehr viel Grauenerregenderes. Obwohl sie nicht zu bestimmen vermochte, um was es sich genau handelte...
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