E-Book Geister-Schocker 36: Die Pest braucht keinen Pass (Monstrula 9)
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Ich bin kein junges Mädchen mehr, dachte Ella, während sie sich im Spiegel betrachtete, vor dem sie nackt stand. Mit Zweiunddreißig war sie eine voll erblühte Frau mit einem schönen, faltenlosen Gesicht, wunderbaren Brüsten, schmaler Taille und verlockend gerundeten Hüften. Sie rieb ihre langen sonnengebräunten Schenkel aneinander. Mit einem zufriedenen Lächeln nickte sie sich im Spiegel zu.
Auch wenn sie mit Henry schon oft zusammengewesen war, so fürchtete sie nicht, ihn in der Hochzeitsnacht zu enttäuschen. Sie hielt nichts von romantisch jungfräulichen Bräuten, bei ihr auch nicht möglich als geschiedener Frau und Witwe, doch sie fühlte, dass diese erste Nacht ihrer zweiten Ehe mit Henry Moorfield etwas Besonderes werden sollte.
Mit langsamen erotischen Bewegungen streifte sie sich das schwarze Spitzenneglige über und streckte gerade ihre Hand nach dem schwarzen Slip aus, als sie eine leise Stimme hörte.
»Ella«, wisperte es hinter ihr. »Ella!«
Verärgert drehte sich Ella Moorfield um. Sie wollte Henry überraschen. Was fiel ihm ein, zu ihr ins Badezimmer zu kommen? Er hatte versprochen, auf sie im Schlafzimmer zu warten.
Verwundert schüttelte sie den Kopf, dass ihre schwarzen Haare ins Gesicht fielen. Das Badezimmer war leer, sie musste sich getäuscht haben. Sie lächelte über sich selbst. Wie hätte Henry auch das Badezimmer betreten sollen, wo sie doch die Tür abgeschlossen hatte.
Erneut drehte sich die Frau zum Spiegel und griff nach der Haarbürste, als sie die Stimme wieder hörte.
»Ella, ich bin es«, hauchte es dicht an ihrem Ohr. »Ella, erkennst du mich nicht?«
Trotz der feuchten Schwüle des Bades begann Ella Moorfield zu frieren. Sie hörte nur dieses Zischen, diesen Hauch einer Stimme neben sich.
»Henry, lass den Unfug!«, sagte sie rau, trat mit zwei Schritten an die Tür, schloss auf und stieß die Tür zurück.
Der Flur vor dem Badezimmer war leer. Aus dem Schlafzimmer, in dem ihr zweiter Ehemann auf sie wartete, dang das Klirren von Gläsern und Eiswürfeln. Ein Sektpfropfen knallte.
Als müsste sie sich in Sicherheit bringen, sprang die junge Frau hastig einen Schritt zurück in das Badezimmer, schlug die Tür zu und drehte den Schlüssel um. Zitternd die Arme nach hinten gestreckt, tastete sie zu ihrem Toilettentisch. Ihre Finger wollten sich an der Kante abstützen, doch sie berührten eine Hand, eine eiskalte Hand.
Mit einem Aufschrei wirbelte Ella Moorfield herum. Ein leises, höhnisches Lachen drang an ihre Ohren, obwohl sie nichts sehen konnte. Zögernd tastete sie noch einmal nach der Tischkante, die sie diesmal auch zu fassen bekam. Mit einem erleichterten Aufseufzen ließ sie sich auf den Hocker sinken.
»Ich bin nur nervös von der Hochzeit, nervös und abgespannt«, murmelte sie. Es beruhigte sie, ihre eigene Stimme zu hören. Sie griff nach der Schachtel Zigaretten, zog nach einigen vergeblichen Versuchen, ihre Bewegungen unter Kontrolle zu bekommen, eine Zigarette heraus und steckte sie zwischen die vollen Lippen. Dann ergriff sie das Feuerzeug, ließ es aufschnappen und hielt die Flamme an die Spitze der Zigarette.
Ein kalter Lufthauch schlug ihr ins Gesicht, schwach nur – so, als hätte jemand die Flamme ausgeblasen. Mit einem letzten Flackern verlöschte das Feuerzeug.
»Du sollst nicht so viel rauchen, Pearl-Darling«, sagte die Stimme, die sie vorhin schon gehört hatte, diesmal in normaler Lautstärke.
Der Schock des Erkennens schleuderte Ella Moorfield gegen den Frisiertisch. Parfümflaschen und Cremedosen fielen zu Boden.
»Alex«, hauchte die junge Frau schreckensbleich. Wild schüttelte sie den Kopf. »Nein, das kann nicht wahr sein! Alex ist tot, ich weiß es. Du bist tot!«, schrie sie auf und schleuderte mit aller Kraft das Feuerzeug in die Richtung, aus der die Stimme gekommen war.
Der riesige Spiegel barst mit einem ohrenbetäubenden Klirren unter dem Aufprall des Feuerzeugs.
Ein hartes, metallisches Lachen brachte Ella Moorfield fast um den Verstand. Krampfhaftes Schluchzen schüttelte ihren Körper. Weinend wankte sie zur Tür, als ihr Mann mit den Fäusten dagegen schlug.
»Ella! Was ist passiert?«, rief Henry Moorfield. »Ella, antworte doch endlich!«
Als die Tür auf flog und er ihr tränenüberströmtes, verstörtes Gesicht sah, wurde er blass. Ohnmächtig sank sie ihm in die Arme.
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